ИСТИНА

Vorlesung von Professor A. I. Osipov
18.11.2012, Moskauer Geistliche Akademie

Wann immer auch wir ins Gespräch kommen über das Leben im allgemeinen, dann geht es dabei immer um die Frage nach dem Glück. Diese Frage schwingt nicht nur unterschwellig mit, sondern ist in der Tat die eigentliche Frage unseres gesamten Lebens und die Lösung aller seiner Probleme. Der wirtschaftlichen? Ja. Der sozialen? Ohne Zweifel. Der philosophischen? Ja, natürlich! Der wissenschaftlichen? Ja, wofür denn sonst ist der gesamte wissenschaftliche-technische Fortschritt überhaupt nötig, wenn er nicht darauf zielt, alle glücklich zu machen? Die Frage nach dem Glück hat die Menschen immer bewegt.

море, вечер, тишина...

море, вечер, тишина…

Welche Lösung bietet das Christentum?
Wenn wir auf die Anfänge der Menschheitsgeschichte zurückblicken, dann fällt uns etwas sehr merkwürdiges ins Auge. Die ersten Menschen im Paradies waren, wie es scheint, recht glücklich. Doch plötzlich empfanden sie eine innere Unzufriedenheit und dies nicht, weil ihnen etwas in ihrem – sagen wir mal – äußerem Leben fehlte. Nein, sie waren Könige der irdischen Welt und hatten alle Macht über diese und über alles, was es in dieser Welt gab. Sie besaßen alles für ihre Befriedigung und ihr Glück. Doch trotzdem haben sie begonnen, nach mehr zu suchen und sind dabei sogar soweit gegangen, dass sie die von Gott verbotene Frucht gepflückt haben, wohl wissend, was ihnen dafür droht. Wie konnte dies geschehen? Die Zeilen in der Bibel erzählen davon kurz in der Geschichte von der Verführung der Menschen durch die Schlange, die ihnen erklärt hatte, dass sie, wenn sie dem Gebot Gottes zuwiderhandeln, selbst zu Göttern werden: „Ihr werdet sein wie Götter“ Es scheint schwer vorstellbar, wie sie dieser Versuchung haben erliegen können. Hier aber eine interessante Begebenheit.
Einst gerieten ein Bauer mit seiner Frau, beide waren Leibeigene, in Zorn über Adam und Eva, weil die Menschen wegen ihnen aus dem Paradies verstoßen worden waren und nun gezwungen sind, unter Mühen, Leid und voller Nöte ihr Dasein zu fristen. Ihr Gutsherr war ein kluger Mann und wollte diesem Ehepaar eine Lektion erteilen und dachte sich folgendes aus. Er rief den Bauern und dessen Frau zu sich und sprach: „Kommt und wohnt bei mir mit all den Annehmlichkeiten des Gutshauses“. Die beiden merkten, dass da irgendein Haken dahinter steckte und schauten voller Argwohn auf ihren Herrn. „Und was ist mit Arbeiten?“ „Nein, ihr müsst nichts tun. Lebt einfach bei mir und lasst es euch gut gehen! Ruht euch aus, geht spazieren und esst und trinkt von meiner Tafel! Ich habe nur eine Bitte. Auf dem Esstisch steht ein kleines Töpfchen, das ihr bitte nie anrührt, denn nur ich behalte mir das Recht vor, seinen Deckel zu heben“. Die Bauernleute entschieden, dass ihr Gutsherr den Verstand verloren habe, waren jedoch voller Freude und erklärten sich einverstanden.
Und so leben der Bauer und seine Frau sorglos in den Tag hinein, es ist wie im Märchen. Die anderen tun die Arbeit, sie jedoch laben sich an der Tafel des Gutsherrn und spazieren durch den herrschaftlichen Park, erfreuen sich an seiner Schönheit und lassen die Seele baumeln. Kurz gesagt, es ist nicht wie im Leben, sondern eher wie im Paradies! Doch mit der Zeit beginnen sie sich an dieses Leben zu gewöhnen und fangen an sich zu langweilen.
Und dort steht nun dieses merkwürdige Töpfchen, dessen Deckel man nicht einmal ein wenig lüften darf – dabei juckt es ihnen doch so in den Fingern. So beginnen sie, es immer öfter in ihren Gesprächen zu erwähnen und darüber zu debattieren, was da wohl drin sein könnte. Zuerst waren es nur Gedanken, doch dann mutierten diese Gedanken zu einem wahrhaft leidenschaftlichen Wunsch, endlich zu erfahren, was denn nun in diesem Topf sei. Und siehe, sie konnten nicht widerstehen.
Man muss sich im Klaren sein, dass die Quelle all unseres Tuns der Gedanke ist. Deswegen auch weist das Christentum dem Kampf mit den Gedanken, die einen zur Sünde verführen wollen, im spirituellen Leben eines Menschen eine so grundlegende Bedeutung zu. Denn ein Gedanke, wenn er viele Male wiederholt wird, dringt in das Innere der Seele ein, wird dort zu ihrem Gebieter und verwandelt den Menschen in seinen hörigen Knecht. Dort wird dann die Sünde geboren. Dort nehmen alle Verbrechen ihren Anfang, geboren in den Tiefen der menschlichen Seele. Die Sünden selbst sind dann die Folgen aus dem Einverständnis des Verstandes und des Herzen mit diesem Gedanken.
Nur aus unserer tiefen Unwissenheit und unserem Unverständnis heraus, sehen wir diesen Zusammenhang nicht und bezeichnen als Sünden allein frevelhafte Taten, ohne jedoch ihren Gründen Bedeutung beizumessen. „Hat er jemanden umgebracht?“ – „Nein“. „Etwas gestohlen oder jemanden betrogen“? Und wenn dieser Mensch dann noch regelmäßig die Kirche besucht und alle Fastenregeln einhält, oh, dann ist er schon ein Heiliger, und man könnte ihn schon zu Lebzeiten heilig sprechen. Was sich dabei jedoch in seinen Gedanken, Gefühlen und Wünschen abspielt und was für Unflat in seiner Seele wuchert – ist das etwa keine Sünde?
Alles beginnt mit Gedanken und Wünschen. Auch im Paradies, bei Adam und Eva hat alles mit dem Gedanken angefangen, so wie Gott sein zu wollen. So haben auch die Bauernleute zunächst immer wieder über das Töpfchen nur gesprochen und sich anfangs noch zurückgehalten und in Geduld geübt, doch dann eines Tages, als der Gutsherr verreist war, haben sie sich doch entschlossen nachzusehen, was denn dort in diesem Topf sei. Der Herr wird es ja nicht erfahren, er ist ja nicht da. …
Und so kam es dann dazu, dass die Frau den Topf etwas anhob. Ihr Mann sagte zu ihr: „Vielleicht sollten wir doch lieber nicht?“ Sie jedoch entgegnete: „Nein, lass mich, ich kann es nicht mehr aushalten“. Und so lüftete sie den Deckel und aus dem Topf entschlüpfte im selben Moment ein kleines Mäuschen — so schnell, dass sie ihm nicht einmal mit den Augen folgen konnten. Am Abend kehrte der Gutsherr zurück, sah, dass der Topf leer war und sagte: „Ich habe euch alles gegeben. Ihr habt wie im Paradies leben können und trotzdem habt ihr es nicht vermocht, einer solch kleinen Bitte nachzukommen. Dabei habt ihr euch wild über Adam und Eva ausgelassen. Raus hier! Geht und esst im Schweiße eures Angesichts euer Brot“!
Diese Geschichte hat mir gefallen, auch wenn sie sich so vielleicht in Wirklichkeit nie zugetragen hat. Sie beschreibt jedoch auf eine sehr genaue Weise einen Grundzug der menschlichen Seele, der leider, wie auch alle ihre anderen natürlichen und guten Wesenszüge, durch den Sündenfall entstellt worden ist. Ich meine ihr unversiegbares Streben zur gottgleichen Vollkommenheit. Dieser Wesenszug ist heute deformiert und anstelle nach Heiligkeit zu streben, sucht man nur nach dessen Folgen: nach äußerlichem Wissen, Macht und Ruhm.
Für viele Menschen besteht wahres Glück darin, etwas Neues zu entdecken, Macht zu haben (wenigstens über seine Frau oder ihren Mann), Popularität und Ruhm zu erlangen – und das mit allen Mitteln, auch wenn damit Unannehmlichkeiten verbunden sind.
Geben Sie zum Beispiel einem kleinen Jungen irgendein Spielzeug, in dem etwas piepst und sagen Sie ihm, dass er es auf keinen Fall auseinandernehmen darf, dann können Sie sicher sein, das war es dann mit dem Spielzeug! Wie soll es denn angehen, dass er nicht herausbekommt, was da drinnen piepst? Das ist doch unmöglich! Die großen Jungs, die Männer, haben dann später das Atom „auseinandergenommen“ und ebenso das Gen des Menschen. Und nun darf die Menschheit eine „glückliche“ Zukunft erwarten. Statt Menschen wird es bald nur auf biologischer Grundlage funktionierende Roboter geben und überhaupt stellt sich die Frage, ob es bald noch Leben auf der Erde geben wird.
Wenn wir jedoch von Erkenntnis sprechen, dann geht es nicht nur um den Verstand, sondern um alle Seiten der menschlichen Natur. In der Sprache der Bibel bedeutet Erkennen die Vereinigung von Erkennendem und dem Objekt der Erkenntnis. Erkenntnis ist also nicht das, woran wir alle gewöhnt sind, wenn wir etwas über irgendein Objekt erfahren, das uns bis dahin fremd war. Nein, zur wahren Erkenntnis kommt es nur dann, wenn diese Fremdheit vollends überwunden wird und es zu einer ganz eigenen Vereinigung zwischen Subjekt und Objekt kommt. Eine solche Vereinigung bedeutet volle Erkenntnis.
Wenn das Objekt für den erkennenden Menschen jedoch etwas Fremdes und Nebensächliches ist, dann geschieht etwas Schreckliches. Auf diese Weise nämlich hat der Mensch begonnen, die Natur als ein für ihn rein äußerliches, gefühlloses, ja faktisch totes Objekt zu betrachten, mit dem er machen kann, was er will. Ist nicht gerade hier der Grund für die ökologische Krise von heute zu sehen? Was stellen wir nicht alles mit der armen Natur so an! Und nun, nach all dem, schreien wir von ökologischer Krise, leiden an neuen Krankheiten und immer öfter kommt es zu Umweltkatastrophen. Und all dies, weil wir nicht begreifen, dass wir aufgehört haben, unsere Einheit mit der Natur zu empfinden und nicht mehr erkennen und sehen, dass wir eine der unendlichen Zellen dieses einheitlichen Organismus Welt sind und dass wir, wenn wir die Natur missbrauchen, uns selbst Schaden zufügen und den Ast absägen, auf dem wir sitzen. Denn wenn man das Bewusstsein für die Einheit verliert und seine Einheit mit dem zu Erkennenden nicht mehr lebendig empfindet, dann führt dies unweigerlich zu Unglück. Dieses Gesetz betrifft alle Sphären es menschlichen Lebens.
Wenn wir nun das Christentum befragen, dann treffen wir im Evangelium auf interessante Worte, die das Lebensziel eines Menschen genau benennen: „Das ist aber das Ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist und Jesus Christus, den du gesandt hast, erkennen“ .
Beachten Sie dieses: dass sie erkennen. Was bedeutet hier dieses „dass sie erkennen“? Wenn man Gott als ein äußerliches Objekt betrachtet, das dort irgendwo existiert, dann liegt in der Tat nichts Besonderes in diesen Worten. Wenn wir uns aber ins Gedächtnis rufen, dass Erkennen gleichbedeutend ist mit Vereinigen, dann können wir begreifen, was mit diesem „dass sie erkennen“ wirklich gemeint ist, und vor uns eröffnet sich ein völlig anderes Bild. Das bedeutet nämlich, dass man eins werden kann mit Gott selbst! Da er jedoch Geist ist, kann die Vereinigung mit ihm folglich auch nur geistiger Natur sein.
Das Christentum erklärt dabei sogar, was für eine Art von Geist er ist und gibt eine in der Geschichte der Religionen einzigartige Antwort: Gott ist die Liebe (1. Joh. 4,8)
Aber Liebe ist doch ein Gefühl und Gott ist ein Jemand? Es ist in der Tat eine sehr ungewöhnliche Antwort. Der Evangelist Johannes, der geliebte Jünger Christi, hat zu seiner Formulierung „Gott ist die Liebe“ folgendes hinzugefügt: Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ Was für eine wunderbare Wahrheit: Sowohl der Mensch ist in Gott wie auch Gott im Menschen! Leider haben wir uns an diese Worte zu sehr gewöhnt (ich meine damit uns gläubige Menschen) und nehmen ihren eigentlichen Sinn praktisch nicht mehr wahr und messen daher dieser großartigsten Entdeckung in der Geschichte der Existenz der Menschheit keinerlei Bedeutung bei. Dabei war diese Entdeckung nicht die Sache irgendwelcher klugen Köpfe aus Wissenschaft oder Philosophie. Nein, nicht sie sind dahinter gekommen. Die Menschen haben dies bis dahin nicht gewusst, obwohl die gesamte Geschichte der Menschheit von Religionen geprägt ist. Diese Wahrheit wurde durch Jesus Christus, dem Sohn eines Tischlers — also eines Ungebildeten, wenn wir es mit den Augen unserer Welt betrachten – der jedoch doch auch der Sohn Gottes war, durch die Kraft, die von ihm ausging, offenbart.
Das Christentum spricht dabei nicht allein davon, dass die Liebe bei Gott ist, sondern behauptet sogar, dass Gott die Liebe ist. Deshalb können wir jetzt verstehen, warum die Bitte „dass sie dich erkennen“ in der Tat die Antwort des Christentums ist auf die Frage nach dem Glück. Anteil zu gewinnen an Dem, ja, sich zu vereinigen mit Dem, der die Liebe selbst ist — ist das nicht das absolute Glück für einen Menschen!? Und da dieses Anteil gewinnen an Gott ein unendlicher Prozess ist, birgt dieser Prozess selbst für den Menschen ein unendliches Gefühl der Seligkeit. Der Heilige Issak der Syrer hat deshalb geschrieben: „Das Paradies ist die Liebe Gottes, in ihr ist der Genuss aller Seligkeit“.
Ich möchte einiges über jene Menschen sagen, die in der Tat in einer solchen Weise Gott erkannt haben, das heißt, sich so mit ihm vereinigt haben, sodass ihre Seele über alle Maßen erfüllt war von gottgleicher Liebe. Der Heilige Serafim von Sarow konnte an niemandem vorrübergehen, ohne ihn von ganzer Seele mit „Oh, du meine Freude!“ zu begrüßen Was bedeuten diese Worte? Ist es denn nicht so, dass das Herz einem voller Freude in der Brust schlägt, wenn man einem geliebten Freund begegnet? Die Worte des Heiligen zeugen von jener Liebe, die im Herzen dieses großen Asketen lebendig war. Freude ist ja eben Glück! Er konnte einfach nicht anders einem Menschen entgegentreten. Diese Worte entsprangen ganz einfach seinem Herzen aus Überfluss an Liebe. Und alle haben diese Liebe gesehen, die von dem Starzen Serafim ausging und waren verwundert, wie eine solche Liebe ihnen gegenüber überhaupt möglich war. Wir leiden ja doch am meisten daran, dass uns Liebe fehlt und in erster Linie daran, dass wir selbst unsere nahestehenden Menschen nicht lieben. Wir suchen nach Liebe von anderen, sind selbst jedoch verschlossen hinter einem undurchdringlichen Panzer von Eigensucht.
Der Heilige Isaak der Syrer – er hat im 7. Jahrhundert gelebt – hat geschrieben, dass ein Herz, das die Höhe wahrhafter Liebe erlangt hat und von ihr erfüllt ist, der gesamten Schöpfung voller Liebe entgegentritt, zu Menschen wie zu Vögeln und Tieren und sich deshalb stündlich immer wieder voller Tränen ins Gebet versenkt — sei es für die Tiere oder für die Gegner der Wahrheit oder auch für die, die ihm Böses wollen – dass Gott sie alle beschützen möge und sie alle rein werden mögen .
Weiter lesen wir im Evangelium: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das Ewige Leben haben“.
Dieses Empfinden der Liebe jedoch ist nicht jenes entfachende und wieder verlöschende Gefühl, das uns allen wohl bekannt ist. Wie oft versteckt sich hinter jener romantischen Liebe ein maskierter Egoismus, der sich schnell in Hass verwandelt! Gerade erst hat man sich ewige Liebe geschworen, und — es ist nicht einmal viel Zeit vergangen — schon regiert der Hass und es geht in Richtung Scheidung. Warum? Weil wir nur die lieben, die uns lieben. Ist das aber wirklich Liebe oder nicht doch Egoismus?
Die göttliche Liebe im Menschen jedoch ist jener gottähnliche Zustand, von dem der gesamte Mensch erfasst wird und der keinen Unterschied mehr macht zwischen Freunden und Feinden, zwischen nahestehenden Menschen und Fremden, zwischen Glaubensbrüdern und Ungläubigen. Es ist ein Zustand, in dem jeglicher Egoismus völlig verschwunden ist. Der Herr hat davon auf folgende Weise gesprochen: „Auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel, denn er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt. 5,45). Diese Liebe mit Glück zu bezeichnen ist eigentlich nicht sehr passend, da sie vielmehr jenseits aller menschlicher Befindlichkeit liegt. Das Glück – so wie wir es verstehen – ist eben doch etwas eher Irdisches und nur ein Hauch von dem, was sich im Menschen auftut (nicht dem Menschen, sondern im Menschen selbst), der mit Gott eins wird. Apostel Paulus hat geschrieben: Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben. (1. Kor. 2,9). Nicht umsonst hat Christus gesagt: Das Reich Gottes ist inwendig in euch . Hier also befindet sich jenes wertvolle Kästchen, in dem sich der Schatz des Glücks befindet — nicht im Reichtum, nicht im Ruhm, nicht in einer gehobenen Stellung, sondern in der Reinheit des Herzens, welches nur so fähig ist, in Gott und mit Gott zu sein, der die Liebe ist. Wie wirklich wichtig ist deshalb, sich dessen stets bewusst zu sein.
Denn wenn die Zeit gekommen ist, diese Welt zu verlassen, und unsere Seele vor den Thron Gottes tritt, dann wird sich alles offenbaren, wonach wir gedürstet und was wir gewollt haben, was wir getan, wovon wir geträumt und wie wir uns den Menschen gegenüber verhalten haben. All unsere Arglist und Heuchelei, unsere Lügen und Feindseligkeiten – all das wird dann ans Tageslicht treten! Welche eine Scham und Schande wird dann über uns hereinfallen, wenn all das zum Vorschein kommt. Eigentlich ist dies Teil unseres Glaubens, jedoch so richtig wollen wir von all dem doch nichts wissen.
So „großartig“ ist also der menschliche Verstand! Aber was ist das für ein Verstand, der sehr wohl weiß, dass der Tod unaufhaltsam auf uns zukommt und mit diesem Wissen trotzdem so lebt, als ob er gedenkt ewig auf der Erde zu leben. Er denkt überhaupt nicht daran, dass das Leben einmal unausweichlich zu Ende ist und stellt sich nicht die Frage: warum man überhaupt lebt? Es ist doch aber wohl klar, dass jeder diese hauptsächliche Frage des Lebens in erster Linie für sich klären und alle Anstrengungen darauf verwenden sollte.
Aber nein. Alles ist geprägt von einem ständigen Gehetze und einer Leere des Lebens. Immer dasselbe, jeden Tag. Leere und Banalität. Und es gelingt einfach nicht, sich über das Wichtigste Gedanken zu machen. Und das will Verstand heißen? Klingt das nicht ein wenig zu hoch gegriffen? Es ist einfach verblüffend! Wenn ich weiß, dass ich am Rande eines Abgrunds stehe, sollte ich dann nicht so schnell wie möglich die Frage beantworten, ob ich etwas für meine Rettung tun oder aber in den Abgrund hinabgleiten möchte? Es gibt nur zwei Varianten, zwei Wege im Leben: entweder im ewigen Tod zu verschwinden oder aber den Weg zum Leben zu erfahren und in der Praxis zu erproben. Das Christentum sagt, dass die menschliche Seele nach dem Sterben des Leibes nicht dem Tod begegnet, sondern dem Leben. Dort wartet das Ewige Leben, welches für jene, die nach uneigennütziger Liebe, nach dem Guten und der Wahrheit, also nach Gott auf der Suche waren, zur Seligkeit oder zum Glück werden wird, wenn wir schon dieses Wort gebrauchen.
Was aber verspricht der andere Weg? Wenn es Gott nicht gibt und auch kein Ewiges Leben, dann bedeutet dies, dass uns der ewige Tod erwartet. Es ist scheinbar unmöglich, sich etwas noch Furchtbareres auszudenken. Deshalb auch gibt es so viele Selbstmorde. Russland hat bereits einen der vorderen Plätze in der Suizidstatistik eingenommen und ich denke, dass dies daran liegt, dass ein Mensch von uns, dessen Glauben irgendwo in den Tiefen seines Wesens verwurzelt ist, auf eine viele schärfere Weise die Sinnlosigkeit eines Lebens ohne Gott empfindet. Die einen kommen zu diesem Empfinden aus eigenem Entschluss, andere ohne sich darüber bewusst zu sein. Viele aber fühlen es und besonders die Kinder. Hier ist die Wurzel unseres Unglücklich Seins.
Das Christentum sagt klar und deutlich zu jedem Menschen: der Schlüssel zu deinem Glück liegt verborgen in dir und nicht irgendwo anders. Er ist versteckt in deinem Herzen und deiner Seele und der Weg zu ihm steht dir offen. Christus hat uns etwas dargereicht, was uns noch nie jemand gegeben hat. Er hat uns nämlich einen realen Weg gezeigt, auf dem der Mensch mit Gott Eins werden kann. Ja, vielmehr sagt er, dass der Mensch im buchstäblichen Sinne zu einem Sohn Gottes, zu einer Tochter Gottes aus Gnaden werden kann. Die Gottesmutter erblühte sogar herrlicher als die Cherubim und Serafim. Zu welcher Größe und zu welchem Glück also ist der Mensch vorherbestimmt!
Doch nur wenige – auch unter den Gläubigen — wollen dieses Glück. Wenn zum Beispiel bekannt gegeben würde, wo ein königlicher Schatz versteckt liegt oder Berge voller Gold – dann würde auch hier ein Goldrausch einsetzten (Erinnern Sie sich an den in Amerika?)! Und das, obwohl klar ist, dass man sich früher oder später von all dem wieder wird trennen müssen, da man doch nichts von dem mit ins Grab nehmen kann. Wenn das Christentum dagegen von einem Schatz für die Ewigkeit spricht, dann ist die Reaktion völlige Gleichgültigkeit. Es wird uns vorgeschlagen, glücklich zu werden, wir jedoch wenden uns ab.
Erinnern Sie sich an die Fabel vom Alten Krylow? Wie hat doch dort der Hahn über die Perlen im Kornhaufen gewettert: „Wozu das?“ So auch wir: „Wozu das?“ – wir sind ja doch für immer hier auf dieser Erde. Und so leben wir mit unseren Leiden und Unannehmlichkeiten, schmoren, geplagt von unseren Leidenschaften, ohne Ende in dieser Suppe und retten uns dabei in irgendwelche Träume und unerreichbare Illusionen.
Die Geschichte der Menschheit ist eines der stärksten Argumente, welches beweist, dass jegliche Suche nach dem Glück in materiellem Wohlstand und irdischen Annehmlichkeiten völlig sinnlos ist. Man findet es dort nicht. Vielmehr lässt sich beobachten, dass es einem Menschen, je mehr er zu Wohlstand gekommen ist, Macht hat, Geld und allerlei Annehmlichkeiten besitzt, umso schwerer fällt, wenn seine Seele all dies einmal hergeben muss. Und das muss sie, denn der Tod lässt niemanden entkommen.
Im Evangelium, im Gleichnis vom reichen Kornbauern, dem es gelungen war, eine noch nie gesehene Ernte einzubringen, heißt es, dass er sich dazu entschloss, seine alten Scheunen abzureißen und neue zu bauen, um einen Vorrat anzulegen und seiner Seele sagen zu können: „So, meine Seele, nun hast du alles für viele Jahre im Voraus, nun kannst du essen und trinken und fröhlich sein“. Danach jedoch folgen eindringliche und bedrohlichen Worte, mit denen sich Gott an den reichen Kornbauern wendet: „Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern, und wes wird´s sein, was du bereitet hast?“
Warum wird er als Narr bezeichnet? Weil seine Seele an diesem vergänglichen irdischen Reichtum hängengeblieben ist und sich so mit einer Seifenblase verbunden hat, von der es kaum möglich ist, sie loszureißen! Schauen Sie nur, was für Leiden viele Menschen ertragen, die es zu einem sehr gehobenen materiellen Lebensstandard gebracht haben! Es wurde erzählt, wie eine Milliardärin gestorben ist: Sie hatte darum gebeten, dass man ihr ihr geliebtes Kleid ans Strebebett bringen möge. Die Arme hat sich an dieses Kleid geklammert und ist in diesem Moment gestorben. Wie danach berichtet wurde, konnte man ihre Finger nicht wieder gerade bekommen. Sie waren wie in einem Würgegriff! Es blieb nichts weiter übrig, als das Kleid zu zerschneiden und die Dame zusammen mit einem Stück Stoff in den Sarg zu legen. Was soll man mit solch einem Wahnwitz anfangen!?
Deshalb sollte ein Gläubiger nun endlich auch einmal anfangen, Christus und seinem Evangelium — wenn auch nur ein wenig – Glauben zu schenken. Ja, jeder Mensch, wenn er sich auf ernsthafte Weise Gedanken macht über den Sinn des Lebens, sollte wissen, was das Christentum zu dieser Frage meint. Welche Argumente sprechen für die Wahrhaftigkeit dieser Religion? Was für Perspektiven eröffnet es uns in diesem Leben – ganz zu schweigen von denen im ewigen.
Es ist falsch zu meinen, dass das Christentum, in dem es den Menschen in den Himmel beruft, ihm ein irdisches Leben versagt, ihm alle Freude verbietet oder alles Schöne absprechen will. Das ist völlig absurd. Es ruft den Menschen dazu auf, gegen seine Leidenschaften anzukämpfen: gegen Bosheit und Neid, Gier und Niedertracht usw. Ist es denn nicht offensichtlich, dass gerade diese Leidenschaften — in aller erster Linie unser Egoismus und Stolz — die Ursache für sämtliche Zerwürfnisse im Leben der Menschen sind? Das Christentum ruft den Menschen nicht allein dazu auf, gegen diese Leidenschaften anzukämpfen, sondern bietet ihm auch wirksame Mittel zu ihrer Heilung an. Es schlägt nämlich die gesündeste Art und Weise zu leben vor, die man sich denken kann, nämlich ein Leben nach Maßgabe des Evangeliums, das einen Menschen, der sich danach richtet, wirklich glücklich machen kann.
Lassen Sie uns zumindest den einschneidendsten Moment unserer Existenz betrachten – das Leiden. Wer kennt es nicht? Wir alle müssen sehr viel ertragen. Das orthodoxe Christentum meint jedoch bezüglich unserer Leiden, dass Gott sich an niemandem rächt und niemanden bestraft: Er ist die Liebe! Und alles, was mit uns geschieht, ist, wie sich zeigt, die beste und notwendige Medizin, die er uns gibt. Und wenn wir jegliches Leid auf diese Weise mit Dankbarkeit annehmen, also als wertvolle Arznei und notwendiges Mittel zu unserer Heilung – so wie wir es gewöhnlich erfahrenen Ärzten gegenüber tun – dann werden wir uns bald überzeugen können, wie viel uns das Christentum bereits in diesem Leben zu geben vermag.
Man kann natürlich aber auch reagieren wie der dumme Kranke: „Ihre Heilmethoden sagen mir nicht zu! Mag es auch der Blinddarm sein. Ich lasse mich nicht operieren. Geben Sie mir lieber ein Schmerzmittel“. Und … nun ist er daran gestorben ist, der Schlaumeier. Aus diesem Grund hat der Heilige Timotheus von Valaam einmal gesagt: „Wenn du nicht bereit bist Geduld zu haben, dann wirst du von Dämonen gefressen“. Wenn du dich aber in Geduld übst, dann wirst du Gott an deiner Seite haben und Frieden in der Seele. Denn Gott ist die Liebe und Arzt, nicht aber ein Schlächter.
Wie einfach fällt es uns, zu einem bekannten Doktor zu gehen, der uns gut gesonnen ist und der, wie wir wissen, erfahren und ehrlich ist und für uns alles tun wird, was in seinen Kräften steht. Wie ruhig werden wir dann auf einmal und wie entspannt! So ist es auch mit unserem Glauben an Gott-die Liebe, der uns nicht für unsere Sünden bestraft, sondern mit all seiner Weisheit unsere Wunden heilt, die wir uns selbst in unserem Unverstand durch unsere Sünden erbarmungslos zufügen. Von uns hängt es ab, wie wir diese Medizin aufnehmen. Man kann sie mürrisch ablehnen, sich gegen Gott stellen und durch diese Unbesonnenheit sein Leiden noch verschlimmern.
Man kann sie aber auch annehmen, weil man meint, sie verdient zu haben, und Gott Dank und Reue entgegenbringen: „Herr, ich weiß, dass ich genau das bekomme, was mir meinem Tun gemäß zukommt. Denn ich weiß, dass meine Sünden der Grund für meine Gebrechen und Leiden sind und nicht du mich zur Strafe dafür schlägst. Ich weiß, Herr, dass du auch weiterhin mich in meinem Sünden liebst. Verzeih mir und heile mich von ihnen. Dein Wille möge geschehen“.
Ein solcher Glauben und ein solcher Seelenzustand verwandeln auf tiefe Weise die innere Welt der Seele und lindern jegliches Leiden. Sie halten einen davon ab, andere Menschen zu verurteilen oder sich auf die Suche nach Feinden und Schuldigen seiner Leiden zu begeben. Denn ein gläubiger Mensch weiß, dass niemand und nichts ihm je einen Schaden zufügen können, ohne den weisen und liebeerfüllten Willen Gottes. Menschen sind eben nur Werkzeuge in seiner Hand.
Um ein vielfaches leichter nämlich ist es, beliebiges Leid zu ertragen, wenn man sich dessen allen bewusst wird. Denn der Unterschied ist klar: Entweder hält man Schmerzen aus bei einem erfahrenen und guten Zahnarzt oder aber bei einem Schlächter. Es scheint, als ob es fast ein und dasselbe sei, doch wie groß ist der Unterschied!
Gott, der voller Liebe ist, handelt wie ein Arzt, nicht aber wie ein teilnahmsloser Richter, der ein gerechtes Urteil fällt. Der heilige Johannes Chrysostomos meint, dass, wenn Gott nicht die Liebe wäre, sondern die Gerechtigkeit, wir alle zu Grunde gehen müssten, da wir doch so „prächtig“ sind. Viele Kirchenväter äußern sich ebenso.
Die Überzeugung also, dass uns all unser Leid einzig und allein aus dem Grund widerfährt, weil wir uns selbst in einem tiefen Maße durch unsere Sünden verstümmelt haben, und dass Gott uns dafür nicht bestraft, sondern uns aus seiner Liebe heraus die entsprechende Medizin reicht – diese Überzeugung verschafft einem Menschen eine große Erleichterung! Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass man alles mit Geduld und Dankbarkeit Gott gegenüber erträgt.
Wie aber erst hilft uns das Orthodoxe Christentum in unserem Miteinander mit anderen Menschen! Denn indem wir an die Liebe denken, können wir es lernen, uns in Geduld zu üben und uns zurückzuhalten, nicht zu streiten — soweit es möglich ist — und alle Unannehmlichkeiten zu ertragen sowie unsere Mitmenschen mit guter Laune zu motivieren. Solche guten und wichtigen Dinge lehrt uns das Christentum für das einfache, tägliche Miteinander. Dank sei Dir, oh Herr!
Und wenn ein Christ erst beginnen würde, sich ein wenig im aufmerksamen Beten zu üben (nicht im Ablesen der Gebete, sondern im konzentrierten Beten), voller Reue und ohne Eile, dann würde er eine solch tiefe Freude in seiner Seele empfinden, von der jeder zu berichten weiß, der sich um ein solches Beten bemüht. Das Gebet ist der Kontakt und die Vereinigung mit Gott. Es ist wie ein Schalter: man schaltet ihn ein und das Licht geht an. Und je öfter wir dieses Beten „einschalten“, je häufiger wir uns an Gott wenden, umso stärker kehrt der Herr in unsere Seele ein und wir gewinnen Anteil an ihm und werden erfüllt von seiner Liebe. Und auf diesem Wege werden wir immer mehr Teil von jenem ewigen Glück, für das der Mensch bestimmt ist.

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